Hyperfokus bei ADHS – Das oft missverstandene Phänomen

Hyperfokus ist eines der paradoxesten und faszinierendsten Merkmale von ADHS

Während die meisten Menschen ADHS mit Ablenkbarkeit und Konzentrationsproblemen verbinden, zeigt sich bei vielen Betroffenen das genaue Gegenteil: eine extreme, fast unerschütterliche Konzentration auf eine einzige Tätigkeit.

Doch was genau ist Hyperfokus? Ist er ein Geschenk oder eine Herausforderung? Und wie können Menschen mit ADHS ihn bewusst nutzen, ohne in Probleme zu geraten?

Was ist Hyperfokus?

Hyperfokus beschreibt einen Zustand intensiver, fast zwanghafter Aufmerksamkeit auf eine Aufgabe oder ein Interesse. Während dieser Phase:

✅ blenden ADHS-Betroffene ihre Umwelt völlig aus (sie nehmen Geräusche, Zeit und oft sogar Hunger oder Durst nicht wahr)
✅ steigt die Leistungsfähigkeit drastisch, weil das Gehirn voll auf die Tätigkeit ausgerichtet ist
✅ fühlen sich Betroffene regelrecht „gefangen“ in dem, was sie tun – es ist schwer, sich davon zu lösen

Wichtig: Hyperfokus ist kein willentlich steuerbarer Zustand. Er tritt meist dann auf, wenn eine Aufgabe besonders spannend oder motivierend ist. ADHS-Betroffene können sich oft stundenlang intensiv mit einem Thema beschäftigen, aber haben Schwierigkeiten, sich auf Alltagsaufgaben zu fokussieren.

Warum haben Menschen mit ADHS Hyperfokus?


Das ADHS-Gehirn funktioniert anders als ein neurotypisches Gehirn:

🔸 Dopamin spielt eine Schlüsselrolle. ADHS-Betroffene haben eine ungenügende Selbstregulation von Dopamin, einem Neurotransmitter, der Motivation und Aufmerksamkeit steuert.
🔸 Routine-Aufgaben liefern zu wenig Dopamin, weshalb Menschen mit ADHS Schwierigkeiten haben, sich auf langweilige oder wenig belohnende Tätigkeiten zu konzentrieren.
🔸 Besonders interessante Aufgaben oder Tätigkeiten triggern jedoch eine starke Dopaminausschüttung. Das Gehirn „klammert“ sich dann an diese Aufgabe und kann nicht mehr aufhören – das ist Hyperfokus.

Der Hyperfokus ist also eine Art unbewusster Überlebensmechanismus des Gehirns, um genug Dopamin zu bekommen.

Wann tritt Hyperfokus auf?

Hyperfokus wird häufig durch Aktivitäten ausgelöst, die:

persönlich hochinteressant sind (z. B. Hobbys, Games, kreative Arbeiten)

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Leider ist es keine Seltenheit, dass Ärzte beim Ausstellen der Diagnose keine große Hilfe sind und euch nicht ausreichend beraten.

Doch dabei gibt es so viel über dieses Thema zu wissen und auch unzählige Strategien, die euch den Alltag als Familie mit ADHS Kind erleichtern können!

Umgang mit Hyperfokus bei ADHS – Praktische Übungen und Strategien

Hyperfokus kann sowohl ein Vorteil als auch eine Herausforderung sein – insbesondere, wenn Kinder so tief in eine Tätigkeit eintauchen, dass sie nicht mehr ansprechbar sind und alltägliche Dinge wie Essen, Hausaufgaben oder Schlaf ignorieren. Statt in Streit oder Frust zu geraten, gibt es einige klare Strategien, um sanft aus dem Hyperfokus herauszuführen und ihn gezielt zu nutzen.

1️⃣ Frühzeitige Signale setzen – Herauslösen vorbereiten

Kinder mit ADHS brauchen oft eine sanfte, schrittweise „Landung“ aus dem Hyperfokus. Plötzliche Unterbrechungen führen oft zu Frustration oder Wutausbrüchen.

✅ Vereinbart vorher ein Signal oder Codewort, das zeigt: „Gleich ist die Zeit vorbei.“ (z. B. eine spezielle Melodie, ein Lichtsignal, ein Timer mit angenehmem Klang)
✅ Gebt eine Vorwarnung: „In 10 Minuten ist es Zeit für XY.“ – Diese Erinnerung hilft dem Gehirn, sich auf das Ende einzustellen.
✅ Physischer Kontakt: Eine sanfte Berührung (z. B. Hand auf die Schulter legen) hilft, das Kind wieder ins „Hier und Jetzt“ zu holen.

2️⃣ Nutzen des Hyperfokus für produktive Zwecke

Statt den Hyperfokus als Problem zu sehen, kann er gelenkt werden, um ihn gezielt für wichtige Aufgaben zu nutzen:

🎯 Setzt Hyperfokus-Zeiten für produktive Dinge ein (z. B. Matheaufgaben mit spielerischen Apps oder kreatives Schreiben, wenn das Kind gerne zeichnet oder Geschichten erfindet).
🎯 Gestaltet unangenehme Aufgaben attraktiver – kombiniert „langweilige“ Pflichten mit einem starken Interesse (z. B. Hausaufgaben auf einem Whiteboard statt Papier, Mathe mit Lego-Steinen).
🎯 Achtet darauf, dass Hyperfokus nicht in Zwang oder Überforderung kippt – regelmäßige Pausensignale helfen, rechtzeitig abzubrechen.

3️⃣ Strukturiertes Herauslösen – sanft zurück in den Alltag bringen

Viele Eltern berichten, dass ihr Kind beim plötzlichen Beenden des Hyperfokus in Frustration oder Trotz gerät. Hier hilft:

🔹 Wechsel mit einer Brücke: „Bevor du ganz aufhörst, kannst du mir kurz erzählen, was du gemacht hast?“ – Das hilft, sich langsam zu lösen.
🔹 Verwenden eines „Übergangsrituals“: Eine kleine Bewegungspause, etwas zu trinken holen, oder einen Timer setzen: „Jetzt eine 5-Minuten-Pause, dann kannst du später weitermachen.“
🔹 Gemeinsam einen Plan für später festlegen: „Ich weiß, das ist spannend – wir machen später weiter, vielleicht nach dem Abendessen?“

4️⃣ Flexible Alltagsanpassungen statt ständiger Unterbrechungen

Wenn ein Kind regelmäßig in Hyperfokus gerät, kann es helfen, den Alltag anzupassen:

✔ Mahlzeiten und Routinen vorher klar strukturieren – z. B. mit visuellem Zeitplan oder einem „Stopp-Schild“ als Erinnerung
✔ Feste Hyperfokus-Zeiten zulassen, in denen das Kind ungestört eintauchen darf (z. B. „Nach den Hausaufgaben hast du 30 Minuten für dein Lieblingsthema.“)
✔ Unwichtige Unterbrechungen vermeiden: Wenn Hyperfokus für produktive Dinge genutzt wird, sollte man ihn nicht unnötig stoppen.

5️⃣ Die Emotionen im Blick behalten

Kinder im Hyperfokus erleben oft starke Emotionen – sie sind tief in ihrem Thema drin, fühlen sich „gerissen“, wenn sie abbrechen müssen, und reagieren manchmal gereizt. Hier hilft:

💡 Empathie zeigen: „Ich sehe, dass du gerade total vertieft bist – es ist schwer, sich jetzt zu lösen, oder?“
💡 Lösungen statt Machtkämpfe: „Ich verstehe, dass du noch nicht aufhören möchtest. Wir machen einen Deal: In 5 Minuten machen wir weiter mit XY.“
💡 Emotionale Regulation fördern: Atemübungen oder sanfte körperliche Bewegung (z. B. Hände schütteln, einen kleinen Spaziergang machen) helfen, das Nervensystem aus der „Tunnelwahrnehmung“ zu holen.

Fazit: Hyperfokus als Stärke nutzen, nicht als Feind bekämpfen

Anstatt gegen den Hyperfokus zu kämpfen, ist es oft sinnvoller, ihn zu strukturieren, gezielt einzusetzen und sanfte Übergänge zu schaffen.

Kinder mit ADHS brauchen dabei Unterstützung – keine plötzlichen Unterbrechungen, sondern verständnisvolle Begleitung. Mit der richtigen Strategie kann Hyperfokus ein wertvolles Werkzeug sein, um sich in Themen zu vertiefen und dabei trotzdem einen guten Tagesrhythmus zu bewahren.

P.S Wusstest du, dass der Begriff ADS veraltet ist?

In all meinen Blogartikeln, sowie in meinem Elterncoaching spreche ich im Normalfall immer ALLE Varianten der ADHS an also automatisch auch ADS !!!

Manche Ärzte verwenden evtl. noch den Begriff ADS um Verwirrung oder lange Erklärungen zu vermeiden.

Man unterscheidet nach ICD-11 ( = Internat. Klassifikation d. Krankheiten)

1) ADHS, vorwiegend hyperaktiv-impulsiver Typ
2) ADHS, vorwiegend unaufmerksamer Typ (ADS)
3) ADHS, Mischtyp (die häufigste Form)

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